7 | DER FALTER SEPTEMBER 2024 RECHT & STEUERN KANN EINE KÜNDIGUNG WEGEN EINER MEINUNGSÄUSSERUNG ERFOLGEN? Aktuell sind Meinungsäußerungen und die Grenzen der Meinungsfreiheit immer wieder diskutiert. Daher im Folgenden eine Darstellung aus arbeitsrechtlicher Perspektive zu Abwägungen und Grenzen. Tatsächlich sind jegliche Meinungsäußerungen zunächst einmal durch das Grundgesetz geschützt. Artikel 5 Absatz 1 Grundgesetz regelt: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern…“. Allerdings hat dieses Recht Grenzen. Insbesondere, wenn die Rechte anderer Menschen beeinträchtigt werden oder gar strafrechtlich relevante Äußerungen erfolgen. In diesem Fall ist sogar in manchen Fällen die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses möglich. Meinungsäußerung im Betrieb Ausgangspunkt ist hier eine wegweisende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BGB) vom 05.12.2019: Stützt sich die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses wesentlich auf eine Äußerung, verlangt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes zunächst eine „der Meinungsfreiheit gerecht werdende Ermittlung ihres Sinns“. Es bedarf einer abwägenden Gewichtung der Beeinträchtigungen, die der persönlichen Ehre auf der einen und der Meinungsfreiheit auf der anderen Seite drohen. Nur ausnahmsweise tritt die Meinungsfreiheit bei herabsetzenden Äußerungen zurück, ohne dass es einer Einzelfallabwägung bedarf, und zwar bei Äußerungen, die die Menschenwürde anderer antasten oder sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Dies kann bei einer rassistischen, menschenverachtenden und diskriminierenden Beleidigung bzw. sonstigen Äußerungen der Fall sein. Eine solche Äußerung rechtfertigt sogar die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) aus wichtigem Grund. So führt das Bundesverfassungsgericht in einer weiteren Entscheidung vom 19.12.2021 aus: Eine, stets unzulässige Schmähung ist gegeben, wenn eine Äußerung keinen irgendwie nachvollziehbaren Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung hat und es bei ihr im Grunde nur um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Person als solcher geht. Es sind diese Fälle, in denen eine vorherige Auseinandersetzung erkennbar nur äußerlich zum Anlass genommen wird, um über andere Personen herzuziehen oder sie niederzumachen. Liegt keine dieser eng umgrenzten Ausnahmekonstellationen vor, begründet dies bei Äußerungen, mit denen bestimmte Personen in ihrer Ehre herabgesetzt werden, kein Indiz für einen Vorrang der Meinungsfreiheit. Mit Blick auf Form und Begleitumstände einer Äußerung kann nach den Umständen des Falles insbesondere erheblich sein, ob sie ad hoc in einer hitzigen Situation oder im Gegenteil mit längerem Vorbedacht gefallen ist. Außerbetriebliche Meinungsäußerung Der Arbeitnehmer kann aufgrund der Arbeitspflicht gehalten sein, ein bestimmtes außerdienstliches Verhalten zu unterlassen (§ 241 Abs. 2 BGB). Insoweit spielt es vor allem eine Rolle, ob mit Blick auf die Intensität (Dauer, Häufigkeit) und/oder den Ort der einschlägigen Äußerungen der Betriebsfrieden und die betriebliche Zusammenarbeit gefährdet wird (§ 104 BetrVG/ Betriebsverfassungsgesetz). So konnte eine Kündigung erfolgen in den nachfolgenden Fällen: Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg vom 17.01.2020: Bestreiten/Verharmlosung des Holocaust (privater Abendtermin mit Kunden und Repräsentanten anderer Firmen). Arbeitsgericht Mannheim vom 19.02.2016: Rassistische Äußerung auf einem Facebook Benutzerkonto, zumindest, wenn sich aus diesem ergibt, dass der Arbeitnehmer bei dem Arbeitgeber beschäftigt ist und die Äußerung ruf- und geschäftsschädigend sein kann. Arbeitsgericht Berlin vom 16.01.2019: Außerdienstliche „Verächtlichmachung des Staates und der Verfassung“ (durch eine Lehrkraft). Social Media In sozialen Medien sind Schmähungen und Beleidigungen – selbst Drohungen – gegen Dritte leider in manchen Foren der übliche Grundton. Arbeitsrechtlich bedeut- sam sind insbesondere Äußerungen über den Arbeitgeber oder Mitarbeiter. Auch hier ist dann die Abwägung zwischen kollidierenden Grundrechten erforderlich. Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 19.11.2015: Dabei gilt insbesondere zu beachten, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich berechtigt ist, unternehmensöffentliche Kritik am Arbeitgeber und den betrieblichen Verhältnissen zu äußern. Er bleibt im außerdienstlichen Bereich in seiner Meinungsäußerung frei. Die Meinung darf dabei auch überspitzt oder polemisch gefasst sein. Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen, Urteil vom 19.12.2022: Äußerungen in einer privaten Chat-Gruppe genießen als Ausdruck der Persönlichkeit und Bedingung ihrer Entfaltung verfassungsrechtlichen Schutz, der dem Schutz der Ehre des durch die Äußerung Betroffenen vorgeht, wenn der Äußernde auf die Wahrung der Vertraulichkeit vertrauen durfte. Der Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) vom 15.6.2021: Die Verwendung des in „I like“ („j‘aime“) in den sozialen Medien als Mittel, ein Interesse oder eine Zustimmung zu einem Inhalt zum Ausdruck zu bringen, ist eine übliche und beliebte Form der Ausübung der Freiheit der Meinungsäußerung im Netz. Daher gilt zusammenfassend: Die Meinungsfreiheit ist eines der höchsten Güter die unser Grundgesetz schützt. Ein Versuch in diese einzugreifen wird von Gerichten stets sanktioniert. Auch Meinungen die dem einzelnen nicht gefallen oder seiner Haltung widersprechen, dürfen vertreten werden. Die Grenze ist arbeitsrechtlich jedoch an der Stelle überschritten, wo Grundrechte anderer so schwer beeinträchtigt werden, dass die Meinungsfreiheit demgegenüber zurücktreten muss. Dann droht auch der Verlust des Arbeitsplatzes. Dr. Eckard L. Pongratz, Rechtsanwalt, Fachanwalt Familienrecht & Insolvenzrecht, Diplom-Psychologe, Kanzlei HSP Kitzingen. Der JohanniterHausnotruf Rückhalt für zuhause und unterwegs. Jetzt bestellen! johanniter.de/hausnotruf-testen 0800 32 33 800 (gebührenfrei) * Gültig vom 23.09.2024 bis 03.11.2024. Zu den Aktionsbedingungen besuchen Sie bitte: hausnotruf-testen.de/ aktionsbedingungen oder schreiben eine Mail an aktionsbedingungen@johanniter.de. 23.09. bis 03.11.2024: Jetzt 4 Wochen gratis testen und bis zu 120 Euro Preisvorteil sichern!*
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